Stadtgeschichte in
süße Formen gegossen
Kann man Steine essen? Und was wird eigentlich aus dem Brot von gestern? Die Suche nach Antworten führt uns nach Perg, zur Bäckerei & Café-Konditorei Kern. Was es damit auf sich hat und welche süßen Leckerbissen der einfallsreiche Bäcker- und Konditormeister aus der Mühlstein-Stadt sonst noch in seiner Backstube zaubert, haben wir bei einem Besuch erfahren.
Wir fahren von Linz flussabwärts und zweigen dann ins Mühlviertel ab. Unser Ziel liegt sieben Kilometer nördlich der Donau: die Einkaufsstadt Perg. Im Stadtkern, unweit der Stadtkirche, in einer Seitengasse nahe dem Stadtplatz lässt die Fassade des Hauses – in zuckerlrosa gehalten – nur erahnen, welch feine Köstlichkeiten darin auf uns warten. Also Tür auf und rein ins süße Abenteuer.
Die Eingangstür macht uns mit einem Klingeln bemerkbar. Fein herausgeputzt in seiner Konditor-Jacke steht dort Helmut Kern, der Chef des Traditionsbetriebs, vergnügt mit seiner Frau Annemarie, der guten Seele des Hauses.
Wie in einem traditionellen Kaffeehaus üblich und gesellig, wie Helmut Kern ist, lädt er uns zu einem gemütlichen Kaffeetratsch in seine Caféstube.
Die Atmosphäre ist heimelig, das schätzen auch die Gäste. „Von denen höre ich öfters, ‚es ist so angenehm und warm bei euch herinnen.‘ Und das freut mich natürlich“, berichtet Helmut Kern stolz. „Wir“ – damit meint er seine Frau Annemarie und sich – „sind fast immer selbst da und wir haben den direkten Kontakt zu unseren Kunden. Da hat man es einfach im Gespür – wer will tratschen, wer will reden und wer will seinen Kaffee genießen.“ Was gleich zu Beginn auffällt, Helmut Kern ist bodenständig, traditionsbewusst und offen, auch für Neues.
Beim Gespräch mit Helmut Kern spürt man, er brennt für seine ‚Spielerei‘.
Die Bäckerfamilie Kern hat im Bezirk Perg eine lange Tradition und das spürt man auch, sobald man das Geschäftslokal mit Cafébetrieb betritt. 1912 gründete Karl Kern die erste Bäckerei der Familie in der Donaugemeinde Baumgartenberg. Seither wird das Handwerk von Generation zu Generation weitergeben.
„Von fünf Kindern sind damals drei Kinder in die Backbranche eingestiegen. Von Baumgartenberg aus haben sie sich dann im Mühlviertel verteilt. Meinen Großvater und Vater zog es Ende der 50er-Jahre nach Perg. Hier eröffneten sie ihre eigene Filiale“, plaudert Helmut aus der Familien-Chronik. Rund zwanzig Jahre später übernahm Siegbert Kern – Helmuts Vater – dann die Bäckerei. Und wie es die Familiengeschichte prophezeite, stieg auch Sohn Helmut in den Betrieb ein und erweiterte diesen 1991 sogar um eine Konditorei. Seither begeistert er Einheimische und Gäste mit seinen Kreationen.
„Ich bin von Kindheit damit aufgewachsen und hab‘ es mit Leib und Seele übernommen. Es ist mein Traumberuf, eine Spielerei“, erzählt Helmut Kern und man sieht ihm an, dass er an seiner Berufung immer noch Freude hat und dafür brennt. „In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Ich bin wahnsinnig gerne Bäcker. Es ist ein so schönes Handwerk, aber als Konditor kann man sich etwas mehr austoben und hat mehr Möglichkeiten.“
Brot, Gebäck und süße Leckerbissen – seine Leidenschaft verarbeitet er sowohl zu Klassikern als auch zu Eigenkreationen wie den ‚Süßen Mühlstein‘ oder die Mühlsteintorte.
Die traditionelle Mühlsteintorte von Helmut Kern besteht aus einer köstlichen Nussmasse und einer dünnen Schicht Marzipan, die von einer Nougatglasur ummantelt wird. Die Torte ist echter Genuss und Helmut Kerns Hommage an seine Stadt. Denn die Geschichte des Machland-Städtchens ist eng mit der Mühlsteinbrecher-Zunft verflochten und brachte ihr in der Vergangenheit wirtschaftlichen Wohlstand ein.
„Die Mühlsteintorte ist mein erstes Produkt, das ich für Perg und für die Region gemacht habe. Darum ist sie für mich immer noch ‚mein‘ Herzstück. Mich hat die Geschichte der Mühlsteinbrecher schon immer interessiert und ich wollte was machen, dass uns widerspiegelt und das man sich mit nach Hause nehmen kann – ein Andenken an die Stadt und uns“, erinnert Helmut Kern und schießt auch noch einen Ausflugstipp hinterher: „Beim Steinbrecher-Spaziergang kann man heute noch den Scherer Mühlsteinbruch und das Steinbrecherhaus besuchen. Im Inneren des Museums offenbart sich, wie das damalige Leben einer einfachen Familie aussah. Echt sehenswert.“ Der Zuckerbäcker gibt uns damit auch einen Einblick, wie wichtig ihm persönlich seine Heimat ist.
Für den ‚Süßen Mühlstein‘ hat Helmut Kern sogar an einer eigenen Schokoform getüftelt, damit dieser auch wirklich wie ein echter Mühlstein wirkt.
In seiner Backstube verarbeitet Helmut Kern Zutaten und Rohstoffe aus der Region: „Die Sachen, die wir aus der Region holen können, holen wir uns auch von hier. Bei Schokolade wird das natürlich schwierig“, lacht Helmut Kern. „Aber ich liebe das Veredeln und die süße, kreative Arbeit mit Schokolade und Produkten aus der Region“. Genau aus dieser Kombination ist auch eine weitere Spezialität des Hauses entstanden: die Weinpralinen.
Worauf kommt es bei einer guten Praline eigentlich an? Genau – auf den Kern natürlich. „Die Füllung beziehungsweise die Zutaten für die Füllung und die Frische sind das wichtigste“, lässt uns der Konditormeister wissen, bei dem die Schokolade noch handgeschöpft wird.
In die Perger Weinpralinen kommen nur feinste Zutaten.
Für seine Weinpralinen bezieht er den Rohstoff vom gerade mal 2,5 Kilometer entfernten Weinbauern. Wer es nicht weiß – seit 2005 ist Perg auch eine Weinstadt und hat mit Leo Gmeiner einen prämierten Winzer. Es dauerte erwartungsgemäß nicht lange, bis diese zwei kreativen Machland-Städter ihre Köpfe zusammensteckten und gemeinsame Sache machten. „Da ergibt oft das eine das andere und man schaut, wie man gemeinsam was für die Region macht.“ Und so war – nach ein paar Probeläufen und Feinheiten – eine weitere regionale Spezialität geboren: die Perger Zweigelt Praline. Ein Gedicht aus einer einzigartigen Weinganache vom Zweigelt des Weinbauern Gmeiner. Mittlerweile verzaubert auch ein zweites Konfekt die Gaumen, die Chardonnay Praline mit feinem Perger Tresterbrand.
Weiß oder Rot, oder beides? Die Weinpralinen gibt mit Zweigelt und Chardonnay.
Woher nimmt der Bäcker- und Konditormeister eigentlich die Ideen für seine Kreationen? „Man muss einfach mit offenen Augen durch die Welt gehen. Das habe ich schon immer gesagt“, antwortet er. „Wenn ich fort bin oder auf Urlaub, stehe ich dauernd in einem Geschäft drinnen. Ich muss in jede Bäckerei und Konditorei. Dort sieht man andere Länder, Sitten und andere Spezialitäten. Wenn mir was gefällt, dann überlege ich, wie ich diese zu uns in die Region holen und mit unseren Produkten veredeln könnte.“
„Heutzutage ist es einfach wichtig, sich abzuheben von der Massenindustrie und von Dingen, die jeder hat. Und im besten Fall stellt man diese saisonal abgestimmt selbst im Haus her“, merkt er an.
Helmut Kern und sein Betrieb heben sich mit der abwechslungsreichen Produktvielfalt und deren Qualität eindeutig von der Massenware ab. Nicht umsonst haben die „Kern“-Produkte eine treue Anhängerschaft. Und obwohl das Geschäft gut geht, kommt es auch beim Kern in Perg vor, dass manchmal das ein oder andere Backwerk übrig bleibt.
Auf die Frage, was bei ihm mit dem alten Brot passiert, lächelt Helmut Kern verschmitzt, steht auf und holt zwei Flaschen: „Das Brot von gestern“ steht auf dem einen und „Brottschin“ auf dem anderen Etikett. „Bei uns kommt es in die Flasche“, lacht Helmut Kern. Ja, richtig gelesen. Seine neueste Kreation, die der Lebensmittelverschwendung den Kampf ansagt, ist flüssiges Brot – veredelt in Form von Schnaps und Gin. Wir sind ein wenig verblüfft. Und warten gebannt auf Helmut Kerns nächste kulinarische Ideen.
Lebensmittelverschwendung? Nicht mit Helmut Kern. Das alte Brot wird beim Kern zu köstlichem Brand und Gin verarbeitet.
Frühaufsteher
Süß
Confiserie
Mühlsteintorte, weil es die erste Spezialität ist, die ich für unser Haus kreiert habe.
Tradition, weil es ohne Tradition auch keine Innovation gibt.
Der Kalvarienberg mit Blick auf Perg und die Donau.
Der Almsee
Öffnungszeiten Bäckerei
Öffnungszeiten Café