Brotbotschafter
der Donauregion
Sie zeigen euch den Weg zum Lieblingsgebäck der Oberösterreicher:innen – dem Flesserl. Jetzt bleibt nur noch eine Frage: mit oder ohne Salz?
Früh am Morgen duftet es in den Backstuben von Jakob Pumberger aus Niederkappel und Matthias Rathmayr aus St. Agatha schon nach frischgebackenem Brot. Für die beiden zertifizierten Brotsommeliers ist das Bäckerhandwerk nicht nur Beruf, sondern Leidenschaft. Ihre Mission: Tradition, Regionalität und unverwechselbaren Geschmack in jedem einzelnen Produkt erlebbar zu machen. Besonders das Flesserl, ein echtes oberösterreichisches Urprodukt, dessen Name auf die Flöße zurückgeht, mit denen einst Salz über die Donau transportiert wurde, gilt bis heute als lebendiger Botschafter der oberösterreichischen Bäckertradition.
Wir haben die zwei Bäckermeister in ihren Backstuben getroffen und mit ihnen über ihre Motivation, das Bäckerhandwerk und die Liebe zum Flesserl gesprochen – dabei haben wir auch erfahren, was einen echten Brotsommelier so ausmacht!
Bäcker war schon immer mein Traumberuf. Schon als kleines Kind stand ich oft in der Backstube und schaute meinem Vater über die Schulter. Meine Kindheit war sozusagen meine erste Lehrzeit. Später entschied ich mich für die HTL Wels mit Schwerpunkt Lebensmitteltechnologie, um die Abläufe und Prozesse hinter dem Bäckerhandwerk noch genauer zu verstehen. Unsere Bäckerei in St. Agatha gibt es seit 1937, und ich darf sie nun in vierter Generation weiterführen. Was mich antreibt ist die Freude daran, Brote mit eigenem Charakter zu schaffen und mich Tag für Tag weiterzuentwickeln, um immer besseres, frischeres Brot zu backen.
Bäcker sein ist mir in die Wiege gelegt worden: Schon mein Urgroßvater Konrad gründete 1923 unsere eigene Bäckerei. Generation für Generation wurde sie weitergeführt, bis ich sie 2017 übernehmen durfte. Wir sind ein echter Familienbetrieb, von meinen Eltern bis zu meiner Frau und sogar den Kindern packt jeder in der Backstube mit an. Meine Leidenschaft ist es das Grundnahrungsmittel Brot, das tagtäglich gegessen wird, mit den eigenen Händen herzustellen. Die Ruhe in der Nacht und der Duft von frischgebackenem Brot in der Backstube motivieren mich täglich zum Aufstehen.
Matthias: Zu Beginn meines Arbeitstags steht immer ein Temperaturcheck in der Backstube an. Danach schaue ich hinaus, denn das Wetter draußen, die Thermik und Luftfeuchtigkeit spielen beim Backen eine große Rolle. Im Anschluss bereite ich die Teiglinge vor und stelle den Ofen ein: Bei Regen etwa braucht das Gebäck mehr Umluft und eine längere Backzeit, damit die Kruste perfekt wird. Erst wenn diese Schritte abgeschlossen sind, starte ich mit dem Backen.
Jakob: Meistens stehe ich gegen Mitternacht auf und bereite zunächst allein die Brotteige vor. Später kommen dann zwei Gesellen dazu. Dank vieler technischer Hilfsmittel wird die Arbeit zwar erleichtert, bleibt aber körperlich anstrengend. Sind die Arbeiten bis in den Morgen erledigt, fahre ich vormittags ins Gai und liefere die Backwaren aus. Anschließend kümmere ich mich um die Belieferung unserer Partner mit Tiefkühlgebäck, bevor ich mich meist für ein paar Stunden schlafen lege.
Jakob: Echtes Bäckerhandwerk unterscheidet sich von der industriellen Brotherstellung, dass Persönlichkeiten dahinterstehen und jedes Brot seinen eigenen Charakter und „Stempel des Bäckers“ hat. Natürlich ist die Industrie ein starker Konkurrent – sie arbeitet effizienter, kostengünstiger und schneller als wir kleinen Bäckereien. Aber im Handwerk stehen echte Menschen hinter dem Produkt.
Matthias: Wichtig ist, dass wir uns kontinuierlich an die Konsumentenwünsche anpassen: Brot soll heute möglichst lange frisch bleiben. Gleichzeitig setzen wir auf besondere Ausbildungen wie die des Brotsommeliers, um traditionelle Wege des Bäckerhandwerks mit frischen Ideen zu verbinden und die Vernetzung unter den kleinen Betrieben zu stärken.
„Ein Brotsommelier beschäftigt sich intensiv mit Brot. Er kennt die unterschiedlichen Charakterzüge, kann das Produkt erklären und für Kunden erlebbar machen. Er ist vertraut mit Brotspezialitäten, alten Brotsorten, deren Entstehungsgeschichte und dem aktuellen Weltbrotmarkt“, erklärt uns Matthias. Dabei bewertet ein Brotsommelier Brot nicht nur nach Sensorik und Geruch, sondern kennt auch die verschiedenen Mehlsorten und Qualitätsstufen. Zudem weiß er, wie man Brot mit anderen Lebensmitteln kombiniert und erfolgreich vermarktet. Kurz gesagt: Ein Brotsommelier ist ein echter Experte für Brot.
„Nein, nicht jeder kann Brotsommelier werden“, erläutert Jakob. Die Ausbildung ist exklusiv, folgt strengen Kriterien und erfordert, dass man Bäcker- oder Konditormeister:in ist. Sie dauert 11 intensive Monate und endet mit einer Abschlussarbeit. Der Kurs wird auch nur alle zwei Jahre von der Lebensmittelakademie des österreichischen Gewerbes und der Bundesakademie Weinheim angeboten, wobei nur 10 bis 15 Bäcker:innen teilnehmen können.
„Für uns haben sich durch die Ausbildung zahlreiche neue Perspektiven eröffnet“, betonen Jakob und Matthias beiderseits. Man wird Teil eines erstklassigen Bäckernetzwerks, das sich aktiv austauscht und der Kontakt bleibt oft noch lange nach der Ausbildung bestehen. Wir besuchen regelmäßig andere Brotsommeliers in ihren Betrieben und lassen uns dort von ihren Erfahrungen und Ideen inspirieren. Auch die Verbindung zum Brot wird intensiver, ebenso wie der Anspruch an Qualität. Außerdem erhält man viele Ideen, die man sofort im eigenen Betrieb umsetzen möchte – etwa neue Food-Pairing-Partner für die eigenen Brotsorten zu entwickeln.
Unter Food-Pairing versteht man die Kombination von Brot mit anderen Lebensmitteln, bei der Gemeinsamkeiten gebündelt und Kontraste hervorgehoben werden. So soll ein echtes Geschmackserlebnis daraus werden. Wir von der Bäckerei Rathmayr arbeiten beispielsweise unter dem Motto „Wein x Brot“ mit dem Revita Hotel Kocher zusammen, dort bieten wir eine exklusive Brotverkostung mit perfekt abgestimmter Weinbegleitung an. Außerdem haben wir eine eigene „Brotbibel“ für unsere Brotsorten erstellt: Zu unserem Meister-Petz passt am besten eine Speckjause mit geräuchertem Käse und Birnenmost, zum Mohnflesserl Süßrahmbutter und etwas säuerliche Ribiselmarmelade.
„Ja, das knusprige Flesserl ist wirklich ein oberösterreichisches Urprodukt“, lächeln beide Brotsommeliers stolz. Salz aus dem Salzkammergut war schon immer ein wichtiger Rohstoff der Region und wurde früher auf Holzflößen über die Donau transportiert. Bereits Quellen aus dem 19. Jahrhundert erwähnen ein „Linzer Salzflößerl“, sozusagen ein Urflesserl aus drei bis vier Reihen Teigflechten. „Es erinnerte an ein Floß und war deutlich größer als das heutige Flesserl. Mit der Zeit wurde das Gebäck kleiner und entwickelte sich zum heutigen Einstrangzopf“, erklärt uns Jakob von der Bäckerei Pumberger.
Wer in einer Bäckerei nach einem Flesserl fragt, outet sich sofort als Oberösterreicher:in. Außerhalb der Region sorgt der Begriff eher für Stirnrunzeln, denn dort kennt man ihn nicht. In Wien heißt das Gebäck etwa Mohnstriezel oder Mohnzopf, in Deutschland spricht man vom Berches und in der Schweiz vom Mohnbrötli. Es ist, als ob die Backwaren selbst Dialekte sprechen würden!
Matthias: Für mich weckt das Flesserl Kindheitserinnerungen. Es eignet sich perfekt zum Teilen oder als herzhafte Jause zwischendurch. Es ist ein echtes regionales Produkt.
Jakob: Bei uns wird der Blaumohn direkt auf den Mohnfeldern nebenan vom Nachbarn geerntet, von der Backstube aus kann man dem Mohn beim Blühen zusehen. Die zarte Kruste und der pfeffrige Blaumohn passen perfekt zusammen.
Eindeutig das Salz-Mohnflesserl, sind sich Jakob und Matthias sofort einig! Rund 95 Prozent unserer verkauften Flesserl sind Salzflesserl, der Rest Mohnflesserl. Salz ist ein wichtiger Geschmacksträger und macht das Flesserl besonders intensiv. Es wird nicht nur für eine herzhafte Jause gekauft, sondern auch gerne zum Frühstück mit Marmelade gegessen. Das Salzflesserl ist ein echter Allrounder und hat einfach das gewisse Etwas!
Danke euch beiden für das inspirierende Interview und die spannenden Einblicke in eure Backstuben sowie in den Berufsalltag eines Brotsommeliers. Und für alle, die beim Lesen genauso Hunger bekommen haben wie wir, gibt es jetzt noch ein passendes Mohnflesserl-Rezept.
Zum Abschluss unseres Gesprächs hat uns Brotsommelier Matthias Rathmayr ein ganz besonderes Rezept für oberösterreichische Mohnflesserl verraten – exklusiv für euch zum Nachbacken. Wir wünschen euch viel Freude beim Ausprobieren – und natürlich beim kreativen Food Pairing.
Rezept (1 kg Mehlbasis, ca. 20 Stück à 75 g)
Zutat | Menge |
| Weizenmehl T700 | 1000 g |
| Wasser | 400 g |
| Vollmilch | 200 g |
| Malz | 25 g |
| Hefe | 30 g |
| Salz | 20 g |
| Butter | 20 g |
Zubereitung:
1. Teigbereitung: Alle Zutaten abwiegen, 4 min. langsam und dann 6–8 min. schnell kneten, bis der Teig glatt und elastisch ist, Zieltemperatur 24–25 °C.
2. Teigruhe: 20–25 min. abgedeckt entspannen lassen
3. Aufarbeiten: Teigeinlage ca. 75 g, rundschleifen, 5 min. entspannen lassen, zu 3-Strang-Flesserl flechten, mit Wasser bestreichen und in Blaumohn drücken
4. Stückgare: 45 min. bei Raumtemperatur (20–22 °C) abgedeckt entspannen lassen, Stücke sollen sichtbar aufgegangen sein (Fingerprobe)
5. Backen: Ofen auf 240–250 °C Ober-/Unterhitze vorheizen, mit kräftigem Schwaden einschießen (viel Wasserdampf), nach 2–3 min. Dampf ablassen, 12–14 min. goldbraun ausbacken, auf Gitter auskühlen lassen