Ein riesiger Bauherr
Als die Ennser nämlich einst mit ihrem Turm begannen, da packte den Baumeister der Eifer. Der Stadtturm sollte höher und vortrefflicher sein als alles bisher da gewesene. Die Bauarbeiter schufteten, um die außergewöhnliche Konstruktion zu vollbringen, sie schufteten um die 156 Stufen zu hauen, die nach oben in das Wachzimmer führten. Der Baumeister konnte sein Werk schon fast fertig sehen: der Turm und er würden unübertroffen sein.
Um so mehr traf es ihn, als ein Arbeiter ihn darauf aufmerksam machte, dass der riesige Steinquader, der ganz oben im Turm als Tisch dienen sollte, nicht in diese Höhe zu hieven war. Er tobte und wütete und tröstete sich am Ende mit dem Ausspruch, wenn er es als der größte Baumeister nicht schaffen konnte, dann könnte das auch sonst niemand.
Plötzlich erhob sich ein Donnern und Grollen und eine Riesin erschien. Sie überragte nicht nur den Baumeister sondern auch sein Werk. Mit einem Schwung packte sie den Steinquader, verstaute ihn in ihrer Schürze und trug ihn in die Wachstube hinauf. Dort pflanzte sie ihn mit einem gewaltigen Pumperer an seinen Platz, wo er bis heute fest steht.
Der Baumeister ist fortan ein wenig leiser aufgetreten. Sein Turm ist immer noch eines der imposantesten Gebäude des Landes. Die Ennser aber wissen: es gibt in der Natur ringsum noch Großartiges, ohne das ihre schöne Stadt nicht das Juwel geworden wäre, dass sie heute ist.
© Helmut Wittmann